Forschungsansatz
Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde eine flächendeckende und vor allem systematische Umfeldanalyse der Fundstellen der frühen Eisenzeit bis zum Frühmittelalter in der Oderregion angewandt wie in der Abbildung oben zu sehen ist (Abb. und AIS: A. Volkmann). Dazu wurde ein neues methodisches Konzept entwickelt, wobei innerhalb eines normierten Schlüssels der Geoinformationen die Daten zur folgenden kartographischen und statistischen Analyse erhoben wurden. Als Datenbasis konnten, durch entsprechende Kooperationspartner der Fachbehörden und Landesämter, hoch detaillierte, nicht frei verfügbare Datensätze und digitale Kartenbestände standardisiert ausgewertet werden. Daneben wurden aber auch als geoarchäologische Synthese die archäologischen Fundstellenmeldungen in den Archiven und in der relevanten Fachliteratur als Datenbank und Katalog grenzüberschreitend zusammengeführt. Im Rahmen dessen erfolgte eine intensive Auseinandersetzung mit dem Fundmaterial, da viele völkerwanderungszeitliche Fundstellen oft nicht als solche erkannt werden. So entstand ein ganz neues, erstaunlich dichtes Fundstellenbild. Für die anderen Zeitstellungen, die vergleichend mit einbezogen wurden, konnte auf Katalogarbeiten zurückgegriffen werden. Aber auch für diese Fundstellen wurde die Fundstellenart und -datierung intensiv geprüft, da möglichst fein gegliederte Datierungen eine unbedingte Grundlage der folgenden Umfeldanalysen waren.
So wurde ein überarbeitetes Chronologiesystem in Stufen I-III für die frühe Eisenzeit, Stufen A-C für die römische Kaiserzeit, Stufen D-E für die Völkerwanderungszeit und Stufe fSP für das slawische Frühmittelalter erarbeitet, das auch in Bezug zur Fachliteratur des Untersuchungsraums Analogien zulässt. Neben der sehr wichtigen Feindatierung der Fundstellen wurden auch deren Fundlage und -umstände kritisch beleuchtet und exakt korrigiert, da diese selektiven Faktoren stark auf das Fundstellenbild des Abschnitts der siedlungsarchäologischen Studie wirken. Im Rahmen dieser Quellenkritik wurde auch auf die Forschungsgeschichte eingegangen, die den Forschungsstand grundlegend prägte. Innerhalb dieser wurden auch auf der Mikroebene neueste Untersuchungen zum Siedlungsaufbau und zu Hauskonstruktionen der Völkerwanderungszeit im Odergebiet vorgestellt.
Die darauf folgende Analysen innerhalb eines vom Geographischen Informationssystem (GIS) hin zum spezifisch erweiterten Archäologischen (Fach-) Informationssystem (AIS) sind in vier verschiedene Ansätze methodisch unterteilt worden. Als erste AIS-Untersuchung erfolgte eine Umfeldanalyse (site catchment analysis), der topographischen Lage, des Bodens und weiterer Parameter, bei der die Geodateninformationen in einem wahrscheinlichen Aktionsradius um die jeweiligen Siedlungen der einzelnen Stufen aufgenommen und statistisch ausgewertet wurden. So konnten statistisch signifikante Klimaproxys zum relativen Feuchteindex und Temperaturverlauf des Paläoklimas herausgestellt werden. Des Weiteren wurden die dezidierenden Standortfaktoren des Bodens und des geoökologischen Siedlungsumfelds sowie verzerrend wirkende anthropogene und natürliche Überprägungen diskutiert. Die ökologischen Zeigerwerte wurden in Transformationsverfahren hinsichtlich ihrer Verwertbarkeit und Aussagekraft für Belange von prähistorischen, agrarisch orientierten Kulturen, in prägnanten Klassen neu zusammengestellt und auf Klimasignale überprüft worden. Zur Gewährleistung der Nachvollziehbarkeit und klaren Belegbarkeit der Ergebnisse wurde auf komplexere, analytisch beschreibende, stochastische Verfahren verzichtet. Die identifizierten Klimasignale stellen dabei keine absoluten Daten dar, sondern es handelt sich um indirekte, relative Daten, die jeweils vergleichende Aussagen zur vorhergehenden und folgenden Stufe zulassen.
Im zweiten Teil der AIS-Untersuchung wurde die Fundstellenlage, jeweils nach den einzelnen Fundstellenarten in den jeweiligen Zeitstufen im geographischen Raum topographisch erforscht. So konnten die Tendenzen der Besiedlungsdynamik anhand der Fundstellenkartierungen und daraus resultierender Besiedlungsmuster einzelner Siedlungskammern erfasst werden.
Der dritte AIS-Teil analysierte, basierend auf Voronoi-Diagrammen der Fundstellenkartierungen als prähistorische Raumodelle, die prähistorischen Raumkonzepte im zeitlichen Verlauf. In einer kartographischen Rekonstruktion der Siedlungskammern wurde das Verhältnis vom anthropogen beeinflussten Wirtschaftsraum und weitgehend natürlichen Waldgebieten visualisiert. Im vierten AIS-Analyseteil wurden der Nutzen und das Potential von fernerkundlichen Methoden anhand hochauflösender LiDAR airborn Lasercandaten (vgl. Abb. links oben) sowie historischen Kartenwerken untersucht. Zum Schluss konnten anhand von vergleichenden Klimaforschungen der Palynologie, Dendrochronologie, der Gletscherstände mit Eisbohrkern-Isotop-Analysen, der paläohydrologischen Flusspegel und mathematischer Modelle zur Errechnung der Paläotemperatur, die im Rahmen der AIS-Umfeldanalyse herausgestellten Klimasignale überprüft und diskutiert werden. So wurde die hohe Wahrscheinlichkeit und Prägnanz der hier erarbeiteten Umfeldanalyse und deren besonderer feinchronologischer Wert signifikant belegt.